Die Ennahda wurde 1981 unter dem Namen „Movement de la Tendence Islamique (MIT)“ gegründet. Der Name Ennahda oder Harakat an-Nahda (Bewegung der Wiedergeburt) bezieht sich auf den arabischen Begriff „Nahda“ (Wiedererwachen, Renaissance) und will eine Verbindung der Werte des Islams mit der Moderne ausdrücken.
Die Gründer der Ennahda verstanden die Partei als religiöse Erneuerungsbewegung, die das Ziel verfolgte, Tunesiens islamische Identität gegen die laizistische Politik von Staatsgründer Bourguiba und später Ben Ali zu verteidigen. Unter Ben Ali wurde die Ennahda verboten. Erst nach 2011 war es der Parteiführung möglich, nach Tunesien zurückzukehren, um am politischen Geschehen des Landes teilzuhaben.
Heute bewegt sich die Mitgliederzahl der Ennahda zwischen 80.000 und 100.000 und ist mitgliederstärkste Partei in Tunesien.
Muslimische Demokratie (?)
Bereits 2015 forderte Loutfi Zitouna, politischer Berater von Al-Ghannouchi, eine Trennung von Religion (Dawa) und Politik. Der konservative Kern der Ennahda protestierte heftig gegen diese Forderung. Diese Angst vor Reformen wurde damit begründet, dass die Ennahda mit ihren ursprünglichen Inhalten die Partei in Zeiten der Illegalität zusammengehalten hatte.
Der letzte (10.) Parteitag der Ennahda 2016 in Hammamet symbolisierte schließlich den offiziellen Abschied vom politischen Islam hin zu einer muslimischen Demokratie. Dies impliziert auch einen Begriffswandel: Vom „politischen Islam“ hin zu einer „demokratischen politischen Partei mit islamischer Referenz und nationalem Bezugsrahmen“.
Rachid El-Ghannouchi wurde mit 800 von 1.058 Stimmen mehrheitlich als Parteivorsitzender wiedergewählt. Ghannouchi gilt als starke Persönlichkeit („Integrationsfigur“), die die Partei mit ihren unterschiedlichen internen Strömungen bislang zusammenhielt. Nach Änderung der Statuten beträgt die maximale Amtszeit ihres Parteivorsitzenden künftig zwei Amtsperioden und Ghannouchis Zeit an der Spitze nähert sich seinem Ende. Bis zu seinem Abschied hat sich der Politiker ein hohes Ziel gesetzt: Er will seinen Nachfolgern eine starke Ennahda hinterlassen, die es versteht, mit interner Diversität umzugehen.
Der neue Konsens der Ennahda
Da mehr als 70 Prozent der Tunesier sich für eine Trennung von Staat und Religion ausgesprochen haben, will auch die Ennahda künftig religiöse und zivilgesellschaftliche Arbeit vom politischen Tagesgeschäft trennen. Der parteiintern mühsam erarbeitete neue Konsens der Ennahda („Spezialisierung“) wird als eine Form von Arbeitsteilung definiert:
Die einzelnen Parteimitglieder sind dazu aufgefordert, sich entsprechend ihrer Interessen und Fähigkeiten in sozialen, kulturellen oder religiösen zivilgesellschaftlichen (parteiunabhängigen) Organisationen zu engagieren und auf diesem Wege die religiöse Komponente der Ennahda zu leben.