Jihad al-Nikah
Angelockt durch Lügen und leere Versprechungen und mit falschen Erwartungen reis(t)en zahlreiche junge Mädchen und Frauen aus Tunesien (und anderen Ländern) nach Syrien, um den IS-Kämpfern für ihre sexuellen Bedürfnisse zur Verfügung zu stehen. Genaue Zahlen sind nicht bekannt, es handelt sich jedoch nicht um Einzelfälle.
Zeitehe durch den Koran legitimiert
Unter dem Namen Jihad al-Nikah werden junge Mädchen und Frauen rekrutiert, um ihren Beitrag zum Kampf zu leisten. Die islamische „Ehe auf Zeit“ stellt den islamistischen Kriegern den Rahmen, um ihre Urtriebe sündenfrei Befriedigung zu können und sich anschließend wieder voll und ganz auf den „Heiligen Krieg“ zu konzentrieren. Dabei beziehen sie sich auf Sure 4,24: Vom Koran belegt und von religiöser Seite her gebilligt, haben sie nach ihrem Selbstverständnis das Recht auf diese Form der „Ehe“ und sehen in ihren Handlungen nichts Verwerfliches.
Die Zeitehe wird jedoch nur von einem Teil der Muslime gebilligt, sie ist lediglich im schiitischen Islam bekannt und wird nur von wenigen Sunniten akzeptiert. Im Grunde handelt es sich um nichts anderes als eine religiös legitimierte Form von Prostitution. Auch Gelehrtenwelt vertritt hinsichtlich der Rechtmäßigkeit dieser Ehe-Form unterschiedliche Ansichten. Die Zeitspanne einer solchen Verbindung kann variieren zwischen wenigen Minuten, Tagen, Wochen bis zu Jahren.
Voraussetzung dabei ist eine gerechte Entlohnung (Morgengabe) für die Frau, ein Missbrauch im Sinne der Prostitution entspricht nicht dem ursprünglichen Gedanken.
Sure 4 : 24
„Und (verboten sind euch) die ehrbaren (Ehe)frauen, außer was ihr (an Ehefrauen als Sklavinnen) besitzt. (Dies ist) euch von Gott vorgeschrieben. Was darüber hinausgeht, ist euch erlaubt, (nämlich) daß ihr euch als ehrbare (Ehe)männer, nicht um Unzucht zu treiben, mit eurem Vermögen (sonstige Frauen zu verschaffen) sucht. Wenn ihr dann welche von ihnen (im ehelichen Verkehr) genossen habt, dann gebt ihnen ihren Lohn als Pflichtteil! Es liegt aber für euch keine Sünde darin, wenn ihr, nachdem der Pflichtteil festgelegt ist, (darüber hinausgehend) ein gegenseitiges Übereinkommen trefft. Gott weiß Bescheid und ist weise.“
(Quelle: Der Koran, Übersetzung von Rudi Paret, Kohlhammer, 11. Auflage)
Rechtsgutachten für den Jihad al-Nikah
Die „heiligen Krieger“ stützen sich dabei auf ein Rechtsgutachten (Fatwa) des hoch angesehenen extremistischen saudischen Scheichs Muhammad al-Arifi, das dieser im Frühjahr 2013 erlassen hat. Diese Fatwa kann als „Einladung“ an junge Musliminnen gedeutet werden, um ihrer Pflicht als „wahre Muslimin“ im Kontext des „Heiligen Krieges“ nachzukommen: Sie soll ihren Beitrag für den Jihad in Syrien leisten, indem sie ihren Körper opfern, ihn in den Dienst einer größeren Sache stellen und dadurch die Rebellen in ihrem Kampf gegen das syrische Regime unterstützen. Außerdem haben die Frauen in diesem Kontext für Kämpfer-Nachwuchs zu sorgen.
Praxis der Zeitehe in diesem Kontext
Nachdem die Ehe geschlossen worden ist, haben die „Eheleute“ etwa eine Stunde Zeit für Sex, anschließend wird die Ehe wieder geschieden und die Frau wird mit dem nächsten Mann verheiratet.
Motive der Mädchen und Frauen
Verena Fabris, Leiterin der Beratungsstelle Extremismus in Wien, hat sich mit den Motiven der Mädchen und Frauen beschäftigt. Nach ihrer Kenntnis gibt es folgende Gründe:
- 9 Prozent suchten einen Ehemann
- Andere wollten einen neuen Staat mit aufbauen
- Einige hatten in Tunesien keine Arbeit
- oder sie sahen in ihrer Ausreise eine Befreiung: Sie können Kinder bekommen und Mutter zu sein, wann sie wollen und ein Kopftuch zu tragen
Das Rekrutierungsnetzwerk
Die jungen Mädchen und Frauen werden durch direkten Kontakt oder über Facebook angeworben. Im Internet wird der Jihad romantisch verklärt aufbereitet und junge, nicht in sich gefestigte Menschen sind eine leichtes Opfer dieser Propagandafilme.
Die Anwerberinnen seien in der Regel zwischen 30 und 50 Jahre alt. Häufig treten sie nur voll verschleiert in Erscheinung, um sich vor einer späteren Wiedererkennung durch ihre Opfer und somit vor strafrechtlicher Verfolgung zu schützen. Für die Anwerbung junger Jihadistinnen erhalten diese Frauen Geld.
Da es sich bei den angeworbenen Tunesierinnen meist um religiöse Frauen handelt, die ihr Gebet regelmäßig in der Moschee verrichten, finden diese „Rekrutierungstreffen“ zu 90 Prozent in der Zeit zwischen dem Nachmittagsgebet und dem Gebet nach Sonnenuntergang im Umfeld der Moschee statt.
Aber auch an Universitäten und in Geschäften, die vor allem islamische Bekleidung (mit jihadistischen Parolen) warten die Anwerberinnen auf ihre Opfer.
Die Anwerbepraxis
- Haben die Anwerberinnen erst einmal das Vertrauen der jungen Tunesierinnen gewonnen, infiltrieren sie ihre „Schülerinnen“ mit obskuren Einstellungen und extremen (eigenwilligen) Interpretationen des Korans.
- Im nächsten Schritt beziehen sie sich auf den syrischen Bürgerkrieg: Sie stellen die Vorzüge des Krieges und die Verdienste der Rebellen heraus.
- Schließlich folgt die Empfehlung an die Mädchen, selbst in den Krieg zu reisen, um ihren Teil zum Sieg beizutragen.
- Diese Reisen erfolgen meist über türkische und libanesische Grenzen. Die Kosten dafür werden laut UNO von Katar übernommen.
Leidvolle Konsequenzen
Vor Ort klärt sich die romantische und unrealistische Erwartungshaltung der jungen Tunesierinnen meist sehr schnell. Sofern sie es nicht freiwillig tun, werden sie zur Prostitution gezwungen. Manche versuchen zu fliehen, einigen gelingt es, andere werden aufgehalten, zu Tode gefoltert oder einfach totgeschlagen. Wenn ihnen die Flucht aus dieser Hölle gelingt, sind sie meist schwer traumatisiert. In Tunesien erwartet sie in häufig weiteres Leid wie Schwangerschaft, Aidsinfizierung von Mutter und ungeborenem Kind, Geschlechtskrankheiten sowie der Ausschluss aus dem Familienverband.
In Tunesien wird der sunnitische Islam gelebt und die Zeitehe wird dort nicht anerkannt. Die schwangeren Mädchen haben eine schwere Sünde begangen, sie kommen mit einem unehelichen Kind zurück (dessen Vater nicht einmal bekannt ist). Vielfach werden sie von ihren Familien rigoros gemieden, im schlimmsten Fall droht ihnen der „Ehrenmord“.
Die Opfer benötigen dringend Hilfe. Gleichzeitig sollten die Anwerberinnen gefasst und einer gerechten Strafe zugeführt werden.
Wie geht Tunesien damit um?
Das Land steht vor einer Reihe ungelöster Fragen:
- Welcher Status gebührt diesen Frauen und ihren neugeborenen Kindern?
- Werden sie als geschiedene Frauen, als Witwen oder als alleinstehende Mütter betrachtet?
- Was werden die städtischen Beamten in den Einwohnermeldestellen in die Rubrik „Name des Vaters“ eintragen?
- Welche Zukunft liegt vor diesen unschuldigen Kindern?
- Wie können drohende Ehrenmorde verhindert werden?